1. Herr Christ, zwei alte Heizanlagen der Gemeinde kamen in die Jahre und mussten ersetzt werden, gleichzeitig sollte ein neues Schulhaus gebaut werden. Dies bildete Anlass für die Gemeinde, ein neues Energiekonzept zu erarbeiten. Wie kam der Stein dieses Projektes zum Rollen?
Marius Chris, Geschäftsführer Gemeinde Nottwil: Uns war schnell klar, dass wir als Gemeinde Vorbild sein wollen und demzufolge die mit Heizöl betriebenen Heizungen nicht mehr mit gleichartigen Heizungen ersetzen wollten. Deshalb haben wir verschiedene Alternativen geprüft. Der Gemeinderat hat anschliessend die Vorschläge gemäss den Faktoren Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit abgewogen und sich mit der zentralen Holzheizung für die bestmögliche Variante entschieden. Diese Meinungsbildung war ein längerer Prozess.
2. Sie waren von Beginn an dabei, wie haben Sie mitgewirkt?
Christ: Da der Gemeinderat sicher sein wollte, dass die grob vorgenommene Berechnung für den Bau und die Installation der Holzheizung korrekt war, konnten wir nicht sofort loslegen und mussten auf dessen Zusage warten. Zudem mussten wir einige Hürden, wie z.B. der beste Standort für die Heizzentrale, überwinden. Deshalb ging ich auf die Suche nach einem entsprechenden Planer mit viel Erfahrung bei der Realisierung von Wärmeverbünden. Diesen fand ich bei der Gunep GmbH. Die Kosten wurden im Detail berechnet, der beste Standort für die Heizzentrale sowie die Linienführung der Leitungen gemeinsam festgelegt. Ich habe alle Hausbesitzer in der Nähe der Leitungen angeschrieben und angefragt, ob sie an einem Anschluss Interesse hätten. So konnten wir schon bald abschätzen und festlegen, wie viel Leistung die zentrale Heizanlage haben muss und wie lang unsere Leitungen gelegt werden müssen. Die Firma Gunep übernahm sowohl die Planung als auch die Bauleitung des Projekts, was wir als sehr positiv erlebt haben, da wir viel in die Hände von Profis übergeben konnten, und sich so weniger Koordination von unserer Seite mit den verschiedenen Schnittstellen ergab.
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Das Holzschulhaus mit Primarschule und Kindergarten vor dem Sempachersee.
Bild: Ethan Oelman
3. Am Projekt waren mehrere Parteien beteiligt, Architekten*innen für das Schulhaus, Planer*innen, die Gemeinde, aber auch die Bewohner*innen. Welche Herausforderungen haben sich gestellt? Was hat das Projekt spannend gemacht?
Christ: Im bestehenden Schulareal befanden sich damals eine alte Ölfeuerung, in der Gemeindeverwaltung eine nicht mehr gute funktionierende Wärmepumpe, Speicheranlagen und eine Ölfeuerung. Überzeugen auf eine zentrale Wärmeversorgung zu wechseln, konnten uns die Spezialisten der Wärmeversorungs-Firma GUNEP GmbH mit ihrer Vision: «Das Einfachste ist das Beste» und ihrer klaren Darstellung der technischen, aber auch finanziellen Vorteile dieser Wärmelösung. Dank der guten Führung unseres Teams, darunter auch der damalige Gemeinderat Marcel Morf und den klaren Ziel- und Zeitvorgaben, konnten die Fachleute den engen Zeitplan einhalten.
Wir konnten erst im November 2016 vom Stimmvolk die Zustimmung für den notwendigen Sonderkredit zum Wärmeverbund abholen. Die Planung, die Ausschreibungen, die Arbeitsvergaben und auch die Realisierung mussten in rund 10 Monaten erfolgen, da unser Ziel war, dass die Kinder für das neue Schuljahr das neue Schulhaus betreten konnten. Dank der guten Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde, der Firma Gunep und den involvierten Unternehmen konnten wir Anfang Oktober 2017 unsere Fernwärmeheizung in Betrieb nehmen und das Schulhaus pünktlich beheizen.
4. Entstanden ist ein architektonisch bemerkenswertes Schulhaus, das aus regionalen Materialien gebaut wurde und umweltfreundlich beheizt ist. Welche technischen und klimaschutzrelevanten Merkmale des Projektes würden Sie gerne unterstreichen?
Christ: Wir wollen mit unserem Schulhaus aus Holz und unserer Holzheizung ein Vorbild für unsere Einwohnerinnen und Einwohner sein. Wir konnten beweisen, dass auch aus einheimischem Holz Gebäude erstellt werden können, die hohen Qualitätsansprüchen genügen. Immer wieder wird von Schüler*innen, Lehrer*innen aber auch externen Besucher*innen betont, wie angenehm das Klima in unserem Schulhaus sei. Dies ist ein Gefühl, das meines Erachtens nur Holz vermitteln kann. Das Gebäude braucht deutlich weniger Energie als die älteren Schulgebäude. Dank dem Rohstoff Holz hatten wir die Möglichkeit mit modularen Bauteilen zu arbeiten, was uns überhaupt ermöglicht hat, ein Schulhaus mit 9 Zimmern in einer solch kurzen Zeit zu bauen. Dies hat uns wiederum viel Geld gespart, da wir aufgrund der kurzen Realisierungszeit keine provisorischen Schulbauten kaufen und betreiben mussten. Auch unseren Wärmeverbund konnten wir in kürzester Zeit realisieren. Er macht uns viel Freude und läuft seit Inbetriebnahme problemlos. Mit dem Entscheid, das benötigte Holz aus der unmittelbaren Nähe zu beziehen, leisten wir tagtäglich einen Beitrag an die Umwelt und der Transportverkehr wird reduziert.
5. Gibt es weiter Mitteilenswertes, das unser Interviewbogen nicht abdeckt?
Christ: Vieles war abhängig von den richtigen Partnern und Personen. Unser ehemaliger Gemeinderat Marcel Morf führte sowohl das Projekt "Schulhausneubau" als auch das Projekt "Fernwärmeheizung" mit viel Herzblut. Mit der Firma Gunep hatten wir den perfekten Partner für die Planung und Realisierung unseres Wärmeverbundes. Für eine geglückte Realisierung braucht es auch immer Glück. Sowohl beim Schulhausneubau als auch bei der Realisierung der Fernwärmeheizung konnten wir von gutem, trockenem, nicht zu kaltem Wetter profitieren. Herzlichen Dank an die Stiftung KliK. Gemeinden werden aus Steuergeldern finanziert. Die jährlichen Beiträge der Stiftung KliK unterstützen unsere Gemeinde sehr stark, so dass unsere Fernwärmeheizung zu guten Konditionen Wärme liefern kann.
«Damit die Wertschöpfung möglichst in der Region bleibt und der Umweltgedanke nicht mit weiten Transporten strapaziert wird, wurde der Radius für die Beschaffung von Holzschnitzeln eng gesteckt.»
1. Herr Steffen, was waren die Beweggründe von Nottwil, das Label Energiestadt zu erlangen, und welche Schritte mussten dazu veranlasst werden?
Walter Steffen, Gemeinderatspräsident: Dem Gemeinderat war es ein Anliegen, die ganze Gemeindeunternehmung, sowie die gesamte Bevölkerung nicht mit Gesetzen oder Vorschriften, sondern mit einer gesunden Einstellung zur Umwelt in die Pflicht zu nehmen.
«Ganz nach dem Motto: gegenseitig sensibilisieren und motivieren!»
Erfreulicherweise konnte festgestellt werden, dass für die Zertifizierung keine grossen Massnahmen getroffen werden mussten. Die Gemeinde Nottwil war also bereits recht gut unterwegs. Die Gemeinde als Teil eines Ganzen möchte aktiv mithelfen, die Umweltziele zu erreichen.
2. In Nottwil wurden sowohl von Privaten, aber auch von der Gemeinde bereits drei Wärmeverbünde umgesetzt, eine laufende Erweiterung ist im Gange, neue Gemeindebauten, wie das Schulhaus aus regionalem Holz gebaut, setzen auf eine energieeffiziente Bauweise. Was tut die Gemeinde weiterhin, um noch klima- und umweltfreundlicher zu werden?
Steffen: Die Gemeinde fokussiert sich auf die nachfolgenden Schwerpunkte:
Ein Mobility-Standort wurde von der Gemeinde initialisiert und finanziell unterstützt.
Ein erstes kommunales Fahrzeug mit Elektroantrieb wurde angeschafft.
Die Strassenbeleuchtung auf dem gesamten Strassennetz wurde auf die LED-Technik umgebaut.
Bei Neubauten wird der Minergie Standard vorgeschrieben.
Vom Gemeinderat wurde das Projekt «plastikarme Gemeinde» initialisiert, welches zwischenzeitlich vom WWF Zentralschweiz unterstützt wird.
Zur Förderung der erneuerbaren Energie wurde mit Unterstützung der Albert Koechlin Stiftung im Jahr 2019 die Energiegenossenschaft e-nottwil gegründet.
Die Gemeindeverwaltung hat bereits vor einigen Jahren angefangen, mit einem vorbildlichen Stand der Digitalisierung auf das «papierlose Büro» umzustellen.
Ebenso hat sich die Verwaltung strenge Vorgaben im Beschaffungswesen auferlegt, bis hin zum Kopierpapier…
Im Weiteren plant die Gemeinde, eine Baumpflanzaktion mit der Schuljugend durchzuführen.
usw.
3. Nottwil plante seine neuen Heizsysteme mit erneuerbarer Energie, statt sie wie früher fossil zu betreiben. Warum hat sich die Gemeinde für eine Holzheizung entschieden?
Steffen: Das hatte verschiedene Gründe. Wir haben viel Wald in unserer Region. Leider wird der CO₂-neutrale Rohstoff Holz aus diesen Wäldern viel zu wenig genutzt. Mit unserem Entscheid unterstützen wir auch die Wälder der Region und deren Besitzer. Wir wollten zudem v.a. aus Kostengründen eine zentrale Heizung und nicht verschiedene dezentrale Heizungen. Zudem sollte sie flexibel erweiterbar sein, damit wir möglichst vielen Privaten den Anschluss an eine CO₂-neutrale Heizung ermöglichen können. Und zu guter Letzt wollten wir eine Heizung, die möglichst wenig Strom verbraucht. Eine Holzheizung war deshalb für die Gemeinde die beste Lösung.
Wer betreut die Heizung? Und: Hat sich diese bis heute bewährt?
Steffen: Unser Technischer Dienst betreut die Heizung und zieht Spezialisten bei, wenn dies nötig ist. Für die Auswahl des Lieferanten der Holzschnitzel wurde in einem Ausschreibungsverfahren, wie es das öffentliche Beschaffungswesen vorsieht, verschiedene Anbieter von Holzschnitzeln aus der Region zur Eingabe eines Angebots eingeladen.
Die Holzheizung läuft seit Beginn tadellos. Das System und die Aufgabenteilung haben sich bis heute bestens bewährt und bedürfen keiner Umstellung oder Anpassung. Wir würden wieder die gleichen Entscheidungen fällen.
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Marius Christ, Geschäftsführer der Gemeinde, und Walter Steffen, Gemeindepräsident von Nottwil, LU.
Bild: Ethan Oelman
4. Das Schulhaus ohne eigene Heizung ist für andere Gemeinden ein Vorzeigebeispiel um im Bereich Energieeffizienz aktiver zu werden. Was würden Sie anderen Gemeinden raten? Welche Argumente sprechen für solche nachhaltigen Projekte?
Steffen: Es ist enorm wichtig, dass bei der Evaluation solcher Umstellungen nicht primär die (kurzfristigen) Finanzen als Entscheidungsgrundlagen herangezogen werden. Nebst dem Beitrag zur Förderung von erneuerbaren Energien ist die Gemeinde überzeugt, dass auch die Finanzen längerfristig gedeckt sein werden.
5. Erste Überlegungen der Gemeinde waren, den Bau und Betrieb des Wärmeverbundes an sogenannte «Contractoren» auszulagern. Weshalb entschied sich die Gemeinde schlussendlich, das Projekt doch eigenständig zu führen? Wie kam die Förderung der Stiftung KliK zum Zug? Welche Erfahrungen hat die Gemeinde damit gemacht?
Steffen: Die erste Idee war, die Erstellung und den Betrieb des Wärmeverbundes auszulagern. Mehrere Unternehmen wurden zur Offerteingabe eingeladen. Mit Vergleichsberechnungen durch unseren Fachplaner GUNEP GmbH wurde aber klar, dass die Auslagerung aus finanziellen Gründen nicht weiterverfolgt werden sollte. Die Fördergelder der Stiftung KliK waren auch ein Grund, dass der Bau der Anlagen durch die Gemeinde überhaupt eigenständig realisiert werden konnte und so der Betrieb von unserem Technischen Dienst abgedeckt werden kann.
6. Gibt es etwas Mitteilenswertes, welches der Interviewbogen nicht abdeckt?
Steffen: Fachleute hatten uns bei der Entscheidungsfindung für einen Wärmeverbund mit folgender Aussage ermutigt: «Anfängliche Skepsis in der Bevölkerung, insbesondere bei einigen Gebäudebesitzern im Einzugsgebiet des Verbundes, wird im Zuge der Zeit dank der gut funktionierenden Anlage entkräftet und der Verbund wird weiterwachsen». Diese Aussage hat sich erfreulicherweise zu 100% bewahrheitet.
Holz eignet sich als Baustoff
Holz ist ideal als Baustoff, denn es lässt sich leicht und flexibel verarbeiten. Es ist eine natürliche Ressource mit einer warmen Oberfläche, welche zusätzlich die Luftfeuchtigkeit reguliert und Schadstoffe absorbiert. Ausserdem zeigt Holz im Vergleich zu anderen Baumaterialien eine höhere natürliche Wärmedämmung.
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Das Holzschulhaus wurde aus 280m3 Holz aus der Region über einen Hang mit Sicht auf den Sempachersee gebaut. Es besteht aus neun Räumen, die von der Primarschule und von zwei Kindergärten benutzt werden, und wird über eine Überbauung aus Holz mit dem restlichen Schulareal in Verbindung gesetzt. Das Gebäude gewann im Jahr 2018 den «Prix Lignum», eine Auszeichnung für besonders innovative Holzprojekte. Der Preis galt seiner bemerkenswerten Architektur, aber auch seinem Beitrag an die Förderung der regionalen Wertschöpfung. Realisiert wurde das Projekt von Graber & Steiger Architekten, welche 2015 die Ausschreibung für dieses Nachhaltigkeitsprojekt gewonnen hatten.
Das Ergebnis: Die Holzschnitzelheizung beliefert Gebäude der Gemeinde, darunter das Holzschulhaus aber auch private Liegenschaften, über ein 1,3 km langes Wärmenetz. Es ist ein Heizkessel mit einer Leistung von 550 kW im Einsatz. Beim Endausbau soll jährlich eine Wärmeleistung von 1600 MWh zur Verfügung stehen. Bis zum Jahr 2030 können voraussichtlich 4000 Tonnen CO₂ vermieden werden. Dafür entrichtet die Stiftung KliK einen Förderbeitrag von 400'000 Franken.
Merkmale Wärmeverbund
Wärmeverbund
Wärmeverbund Nottwil
Beteiligte
GUNEP GmbH, Gemeinde Nottwil
Wärmequelle
Holzschnitzel
Trassenlänge
1,3 km
Jährlich gelieferte Wärmeenergie (beim Endausbau)
1600 MWh
Wirkungsbeginn
Oktober 2017
Prognose bis 2030
4'000 Tonnen CO₂
Förderung
400'000 Franken
Finanzierung
Eigenfinanzierung; Finanzhilfen (Stiftung KliK)
Wärmeverbund mit Biomasse
Klimapolitik
Erneuerbare Energien tragen zur Erreichung der CO₂-Ziele des Bundes und der Kantone bei.
Betriebssicherheit
Einheimischer, lagerbarer Brennstoff; professionelle Betriebsüberwachung, Wartung und Instandhaltung
Skaleneffekt
Grossfeuerungen stützen die Wirtschaftlichkeit eines Wärmeverbundes.
Lufthygiene
Automatischer Betrieb, Filterpflicht und Filterwartung mindern den Schadstoffausstoss
Digitalisierung
Elektronische Elemente erleichtern Monitoring, Steuerung, Überwachung, Messung und Verrechnung.
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